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Bulova Lunar Pilot – die vergessene Moonwatch

Aktualisiert: 26. Nov.

Titelbild: Bulova Moonwatch im Einsatz

Eine amerikanische Raumfahrtuhr mit echter Mondvergangenheit, moderner Technik und beeindruckender Präsenz: Die Bulova Lunar Pilot ist kein Tribut an vergangene Zeiten, sondern ein lebendiges Stück Geschichte – und ein Chronograph, der zeigt, was echte Preis-Leistung bedeutet.



Ein Blick in die Geschichte von Bulova



Die Marke Bulova gehört zu den großen, aber oft unterschätzten Namen der Uhrengeschichte.

Gegründet 1875 von Joseph Bulova, einem aus Böhmen stammenden Einwanderer, steht sie seit jeher für amerikanische Präzision, Pioniergeist und Innovation.

Schon früh verband Bulova Schweizer Handwerkskunst mit industrieller Fertigung: 1912 eröffnete das Unternehmen eine Produktionsstätte in Biel, um Uhrwerke in bisher unerreichter Stückzahl und Qualität herzustellen.Nur wenige Jahre später führte Bulova als einer der ersten Hersteller standardisierte Uhrenteile ein – ein Konzept, das die Reparatur vereinfachte und die moderne Serienfertigung prägte.



In den folgenden Jahrzehnten setzte Bulova Maßstäbe:


  • 1926: Erster Radio-Werbespot der Welt – „At the tone, it’s 8 P.M. – Bulova Watch Time“.

  • 1941: Erste Fernsehwerbung der Geschichte – ausgestrahlt vor einem Baseballspiel.

  • 1960: Vorstellung der legendären Bulova Accutron, der ersten stimmgabelgesteuerten Uhr mit 360 Hz Frequenz – präziser als jede mechanische Uhr ihrer Zeit.


Die Accutron-Technologie machte Bulova zu einem wichtigen Ausrüster der NASA. Zahlreiche Instrumente in Satelliten und Raumfahrzeugen basierten auf Bulovas Timing-Systemen – lange bevor eine Armbanduhr der Marke den Mond erreichte.



Bulova und die Raumfahrttechnik


Lange bevor eine Uhr der Marke Bulova den Mond erreichte, war das Unternehmen bereits ein fester Bestandteil der amerikanischen Raumfahrt.Über die Bulova Aerospace Division lieferte die Marke hochpräzise Zeitgeber, Frequenzoszillatoren und Messinstrumente für NASA-Projekte – vor allem für das Gemini- und Apollo-Programm.

In den Gemini-Kapseln fanden sich mehrere Komponenten mit Bulova-Technik, darunter Missions-Timer, Oszillator-Einheiten für die Kommunikation sowie Hilfszeitgeber in der zentralen Instrumententafel.Diese Systeme steuerten Manöver, Navigation und Funkübertragung – ein entscheidender Faktor in der Frühphase der bemannten Raumfahrt.



Auf den historischen Aufnahmen der Gemini-Instrumententafel sind die Bereiche markiert, in denen Bulova-Technologie mitwirkte:

  • Oben mittig: Mission Timer mit Bulova-Zeitgebern zur Missionsdauer-Messung.

  • Rechte Seite: Oszillator-Einheiten, basierend auf Bulovas stimmgabelgesteuerter Frequenzstabilisierung.

  • Unten mittig: Sekundäre Instrumenten-Zeitgeber mit Bulova-Kalibriertechnik.


Diese Ingenieurtradition mündete in der Accutron-Technologie – und fand Jahrzehnte später in der Lunar Pilot ihren sichtbarsten Ausdruck. Wer sie heute cträgt, trägt ein Stück jener Präzision, die einst im Inneren der Gemini-Kapseln den Takt vorgab.


Cockpit Gemini Raumkapsel
Bild Credit: NASA | Cockpit der Gemini-Raumkapsel
Bildunterschrift: Instrumententafel der Gemini-Raumkapsel. Markierte Bereiche zeigen Komponenten, in denen Bulova-Technik zum Einsatz kam – darunter der Missions-Timer, Frequenz-Oszillatoren für Kommunikation und sekundäre Zeitgeber (NASA / Public Domain).

Die Lunar Pilot – eine echte Moonwatch


Die Bulova Lunar Pilot ist keine Hommage, sondern ein echtes Stück Raumfahrtgeschichte. Sie ist die zivile Neuauflage jener Uhr, die 1971 auf dem Mond getragen wurde – nicht als Marketing-Gag, sondern als funktionales Werkzeug, entwickelt von einem Unternehmen, das tief in die NASA-Technik eingebunden war.


Scott David trägt seine Bulova
Bild Credit: NASA | Apollo 15 / Eva 3: David Scott trägt auf diesem Bild seine Bulova am Arm.

Historischer Hintergrund



Bulova spielte im Apollo-Programm eine entscheidende Rolle: Das Unternehmen lieferte präzise Zeitmessinstrumente, Borduhren und Navigationssysteme für zahlreiche NASA-Missionen. Nur die Armbanduhren der Astronauten stammten offiziell von Omega – bis während der Apollo-15-Mission etwas Unvorhergesehenes geschah.

Astronaut David Scott stellte nach seinem zweiten Mondspaziergang fest, dass das Glas seiner dienstlichen Speedmaster abgesprungen war.Für den dritten Außeneinsatz – den ersten mit dem Lunar Rover – griff er daher auf seine persönliche Bulova-Chronographenuhr zurück.Diese Uhr war ein speziell für ihn angefertigtes Prototypmodell mit dem mechanischen Valjoux 72 Schaltradkaliber, einem Werk, das auch in der Rolex Daytona jener Zeit verbaut war.

In seinem Buch Two Sides of the Moon beschreibt Scott diesen Moment eindrücklich:

“By this time, however, our oxygen supplies were running low... Fortunately, I had brought two wristwatches along; at the end of this second day’s EVA my first one broke. Its crystal popped off after overheating and the watch became filled with lunar dust... But everything worked fine, except for the watch.”David Scott, Two Sides of the Moon (2004)

Dieser Augenzeugenbericht macht deutlich, dass Scotts Bulova nicht als Ersatz oder Experiment gedacht war, sondern als echtes Arbeitsinstrument in einer Extremsituation.Sie war die erste Uhr, die mit dem Mondrover gefahren wurde, und gleichzeitig die einzige nicht-Omega, die je auf der Mondoberfläche im Einsatz war – ein einzigartiges Stück amerikanischer Ingenieurskunst.

Als Scotts Originaluhr 2015 für über 1,6 Millionen Dollar versteigert wurde, entschied Bulova, das Modell detailgetreu neu aufzulegen. Das Ergebnis war die Bulova Lunar Pilot Chronograph – äußerlich nahezu identisch mit dem historischen Original, im Inneren jedoch mit modernster 262 kHz-Technologie ausgestattet.


Technik und Design


Die moderne Bulova Lunar Pilot ist eine Uhr mit zwei Seelen: Sie bewahrt die Ästhetik und den Geist des Originals von 1971, nutzt aber ein Werk, das auf Jahrzehnten technischer Forschung beruht.

Im Inneren arbeitet das Bulova High Performance Quartz (HPQ) – ein Hochfrequenz-Quarzwerk mit einer Schwingfrequenz von 262 kHz, also mehr als das Achtfache eines herkömmlichen Quarzes mit 32.768 Hz.Bulova erreicht diese enorme Frequenz durch einen dreifach modulierten Quarzoszillator, der in einem „Tuning Fork“-Schwingkristall integriert ist – eine Weiterentwicklung der legendären Accutron-Technologie aus den 1960er-Jahren.


Bulovas 262KHz Werk

Während ein Standard-Quarz in jeder Sekunde 32.768 Schwingungen ausführt, erzeugt der Bulova-Oszillator 262.144 Schwingungen pro Sekunde. Diese extreme Taktung sorgt für eine außergewöhnliche Stabilität und Temperaturkompensation, was die Gangabweichung auf etwa ±10 Sekunden pro Jahr reduziert – Werte, die selbst Chronometer übertreffen.

Die hohe Frequenz bewirkt zudem, dass der Sekundenzeiger nicht springt, sondern in einer fließenden Bewegung über das Zifferblatt gleitet – ein Effekt, der an mechanische Werke erinnert, aber mit der Präzision moderner Elektronik kombiniert wird.

Damit ist das Werk der Lunar Pilot nicht nur eine technische Besonderheit, sondern auch eine Hommage an Bulovas eigene Geschichte: von der ersten stimmgabelgesteuerten Uhr bis zur heutigen Präzisions-Quarztechnologie.


Technische Daten des Werks (Bulova HPQ 262 kHz)

Merkmal

Beschreibung

Kaliber

Bulova High Performance Quartz (HPQ, 262 kHz)

Schwingfrequenz

262.144 Hz (8× schneller als Standard-Quarz)

Technologie

Dreifach modulierte Schwinggabel (Tuning Fork)

Ganggenauigkeit

±10 Sekunden pro Jahr

Energieversorgung

Silberoxid-Knopfzelle (ca. 2 Jahre Laufzeit)

Zeigerbewegung

Fließend, kontinuierlich

Besonderheit

Abgeleitet von der Accutron-Stimmgabeltechnologie

Das Edelstahlgehäuse misst markante 45 mm und wird von einem gewölbten Saphirglas geschützt. Das mattschwarze Zifferblatt mit kontrastierenden Totalisatoren und applizierten Indizes bleibt der Vorlage treu, ebenso der historische Bulova-Schriftzug.Die Uhr ist bis 50 m wasserdicht; die Chronographen-Drücker arbeiten präzise und satt.



Tragegefühl & persönlicher Eindruck



Am Handgelenk zeigt die Lunar Pilot sofort, dass sie keine zierliche Uhr ist. Mit 45 mm Durchmesser bringt sie spürbare Präsenz mit – und das darf sie auch. Sie ist eine echte Tool Watch, konzipiert als Instrument, nicht als Accessoire. Trotz der Größe trägt sie sich ausgewogen: Bei 18,5 cm HGU sitzt sie stabil und wirkt kraftvoll, ohne klobig zu erscheinen.

Die Verarbeitung ist solide, das Gehäuse fein satiniert, die Drücker präzise.Sie erinnert in ihrer physischen Wirkung etwas an eine Panerai – groß, klar, funktional – bleibt dabei aber eigenständig.

Was sie im Alltag besonders attraktiv macht: Sie ist eine Strap Queen.Ich persönlich trage sie am liebsten am Militär-Nylonband – es verleiht ihr das richtige Maß an Authentizität und trägt sich auch an warmen Tagen angenehm leicht.Damit wirkt sie, als käme sie direkt aus einem NASA-Missionsset.



Sammlerwert & Marktposition


Die Bulova Lunar Pilot nimmt im Sammlermarkt eine eigenständige und bemerkenswert stabile Position ein.Sie ist keine Alternative zu etwas – sie ist ihre eigene Geschichte.Während andere Marken ihre Modelle künstlich mit Raumfahrtmythen aufladen, kann Bulova auf eine dokumentierte NASA-Vergangenheit verweisen.Das macht sie zu einer Uhr mit echter historischer Substanz, nicht bloß erzählerischem Beiwerk.

Im Fokus steht die 45 mm-Variante, die der originalen Monduhr von 1971 in Proportion und Ausstrahlung am nächsten kommt.

Der aktuelle Listenpreis am Edelstahlband liegt laut Bulova bei rund 699 € (Ref. 96K115).Auf dem Sekundärmarkt bewegen sich gepflegte Full-Set-Exemplare meist um die 400 €.Dieses stabile Preisniveau zeigt, dass die Uhr nicht von kurzfristigem Hype lebt, sondern von authentischem Charakterund technischer Qualität.

Gemessen an Verarbeitung, Präzision und historischer Bedeutung bietet die Lunar Pilot eine herausragende Preis-Leistung.Kaum ein anderer Chronograph kombiniert in dieser Preisklasse derart präzise Technologie, Raumfahrt-Provenienz und solide Materialqualität.



Fazit zur Bulova Lunar Pilot


Die Bulova Lunar Pilot ist mehr als nur ein Reissue – sie ist die moderne Fortsetzung einer echten Raumfahrtlegende. Sie verbindet historische Authentizität mit zeitgemäßer Technik und beweist, dass Präzision und Geschichte auch außerhalb der Schweiz zu Hause sein können.

In der 45 mm-Ausführung zeigt sie Charakter und Präsenz, bleibt dabei aber dank ihrer Ausgewogenheit und Vielseitigkeit erstaunlich alltagstauglich. Am Militär-Nylonband wirkt sie wie das, was sie im Kern ist: ein präzises Instrument, gebaut, um zu funktionieren – nicht, um zu gefallen.

Ihr hervorragendes Verhältnis von Preis, Leistung und Bedeutung macht sie für mich zu einer Uhr, die in meiner persönlichen Sammlung nicht fehlen sollte.Die Lunar Pilot ist kein Tribut an vergangene Zeiten, sondern ein lebendiges Stück Raumfahrtgeschichte, das man heute noch tragen kann – und gerne trägt.


Quellenregister


Um die historische Bedeutung der Bulova Lunar Pilot präzise und transparent einordnen zu können, haben wir hier eine Auswahl verlässlicher Primärquellen, Museumsarchive und fundierter Fachartikel zusammengestellt. Sie vertiefen die Hintergründe der Apollo-15-Mission, beleuchten die technische Entwicklung des Modells und geben dir die Möglichkeit, selbst in die originalen NASA-Berichte und Auktionsunterlagen einzutauchen.

Kategorie

Quelle

Typ

Beschreibung

Link

Offizielle Archive

NASA – Apollo 15 Mission Archive

Missionsarchiv

Offizielle Berichte, technische Daten & Zeitlinien zur Apollo-15-Mission

Offizielle Archive

NASA – Apollo 15 Mission Report (PDF)

Technischer Bericht

Offizieller After-Action-Report des Astronautenteams

Museum

Smithsonian – Bulova Chronograph Worn on the Moon

Museumsarchiv

Offizielle Smithsonian-Dokumentation des originalen Bulova Moon Chronographen

Hersteller

Bulova – Lunar Pilot History

Herstellerseite

Offizieller Hintergrund zur Geschichte des Modells

Auktion

RR Auction – Bulova Moon Watch (2015)

Auktionsarchiv

Offizielle Auktionsdaten des originalen Bulova Lunar Prototype

Fachartikel

Hodinkee – The Bulova That Went To The Moon

Magazinartikel

Detaillierter Bericht über das Original & seine Bedeutung

Fachartikel

Hodinkee – Auction of the Bulova Apollo 15 Chronograph

Magazinartikel

Artikel über die Rekordauktion 2015

Fachartikel

Fratello – Bulova Lunar Pilot Review

Magazinartikel

Review & technische Einordnung des modernen Lunar Pilot

Fachartikel

WatchTime – Bulova’s Moon Watch Story

Magazinartikel

Historische Einordnung & technische Details

Technik

Bulova – High Performance Quartz 262kHz

Technische Dokumentation

Hintergrund zur HPQ-Plattform des Lunar Pilot

Technik

Precisionist Whitepaper

Technischer Bericht

Details zur Funktionsweise der 262 kHz-Technologie

Technik

Bulova NP20 Service Manual

Technisches Dokument

Service- und Explosionszeichnung des Kalibers (PDF)

(Download über Bulova Service Portal)

Sammlerdiskurs

Watchuseek – Lunar Pilot Threads

Forum

Diskussionen über Original & Re-Edition (nicht verlinkt)

Sammlerdiskurs

Reddit r/Watches

Forum

Community-Insights zum Modell (nicht verlinkt)


1 Kommentar


Anton
vor 6 Tagen

Sehr gelungener Artikel! Der Beitrag zeigt gut, warum die Bulova Lunar Pilot weit mehr Anerkennung verdient. Die Mischung aus historischer Einordnung, Technik und Design macht deutlich, dass diese „vergessene Moonwatch“ auch heute noch eine faszinierende und tragbare Uhr ist. Mir persönlich gefällt besonders die 43-mm-Variante (Ref. 96K111), die für kleinere Handgelenke deutlich besser tragbar ist.

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